Die SAXONETTE

Ein Prospekt der Saxonette findest Du im Bereich Technik+Daten, hier eine Vorschau:

Prospekt der Saxonette

Nach langer Ankündigung und umfangreicher Werbung wurden im Juli 1938 die ersten Fahrräder mit dem neuen Hilfsmotor verkauft, nachdem er bereits auf der Berliner Automobilausstellung 1937 vorgestellt wurde. Das Schweinfurter Werk lieferte an die einzelnen Fahrradfabriken das komplette Hinterrad mit eingebautem Motor. Dabei handelte es sich um einen Zweitakter mit 38 mm Hub und 45 mm Bohrung, einen für damalige Zeit ungewöhnlichen Kurzhuber. Das Verdichtungsverhältnis betrug 1:6, der Hubraum 60 ccm. Bei 3.500 Umdrehungen an der Kurbelwelle leistet der Motor 1,2 PS und gibt dem Rad eine Geschwindigkeit von 25 - 30 km/h. saxo.jpg (7346 Byte)

Ohne Mittreten können Steigungen von bis zu 8 % überwunden werden. Der Sackzylinder besteht aus einer Aluminiumlegierung mit eingegossener Grauguß-Laufbüchse. Der Alu-Nasenkolben trägt zwei Kolbenringe und die Kurbelwelle läuft beidseitig auf Kugellagern. Die Kupplung mit 3 Grauguß-Lamellen läuft in Fett, ebenso das Getriebe. Der Vergaser ist ein F&S-Fabrikat mit Kolbenschieber und Hand-Einspritzpumpe (Düsengröße 45 und 47). Gefahren wurde ein Kraftstoff-Öl-Ge-misch von 20:1. Getriebe und Kupplung wurden alle 1.500 km mit Shell-Ambroleum und Gargoyle-Epixim (im Verhältnis 1:1) geschmiert, die Menge betrug ca. 40-50 ccm. Die Zündkerzenempfehlung von SACHS war: Bosch W 175 T1.

Da sich der Motor nicht als vollgasfest erwies, konzipierte die Firma einen Gasdrehgriff mit Druckpunkt. Bis zu diesem Punkt konnte der Motor über mehrere Kilometer hinweg belastet werden. Über den Druckpunkt hinaus sollte man das Gas nur am Berg oder während eines Überholvorganges beanspruchen. Bei vorsichtiger Fahrweise lag der Verbrauch zwischen 1,5 und 1,8 Litern Kraftstoff je 100 km. Eine Besonderheit stellte die Starthilfe dar. Es handelt sich hierbei um eine Kolbenpumpe am Vergaser, mit deren Hilfe Benzin direkt in den Zylinder gespritzt wird. Die Zündlicht-Anlage stammt ebenfalls, wie bei allen anderen SACHS-Motoren, von Bosch. Es gibt auf der Grundplatte die Zündwicklung und eine Lichtwicklung von 6 Volt und 5 Watt Leistung. Bei Vollgas-Fahrt wurde die Lichtmaschine durch den davor liegenden Zylinder zu heiß und die Lack-Isolierung der Spulen begann zu schmelzen. Auch die 5-Watt-Licht-Leistung reichten nur für ein kerzenähnliches Flämmchen im zum Zubehör gehörenden Scheinwerfer. Weiterhin wurden zum Motor die Bedienhebel und der spezielle Gasgriff geliefert sowie eine Trommelbremsnabe für das Vorderrad. Das Gewicht des Hinterrades mit Motor beträgt 14,5 kg, das Gewicht des kompletten Rades 28-33 kg. Der Motor wurde von folgenden Werken verwendet:

Anker-Werke, Assmann, Bauer & Co., Bismarck AG, Brennabor-Werke, Brüsselbach, Dürkopp-Werke, Exelsior-Werke, Göricke, Gritzner-Kayser, Hainsberger Metallwerke, Hercules, Meister, Miele & Cie, Panther, Patria-WKC, Presto, Rixe & Co., Torpedo, Urania-Fahrradwerke, Victoria, Walther & Co., Wanderer-Werke AG.

Darüber hinaus konnte der Motor in jedes beliebige 26er Ballonrad eingebaut werden. In diesem Fall konnte ein Tank geliefert werden, der über dem hinteren Schutzblech des Rades montiert wurde. Fahrradfabriken, die den Motor schon im Werk montierten, verwendeten meist einen eigenen Tank. Wer eine SAXONETTE aufbauen möchte und nur das Hinterrad mit Motor besitzt, sollte ein Dürkopp-, Gritzner-Kayser- oder Meister-Rad verwenden, denn diese Firmen bauten die SAXONETTE in ansonsten völlig serienmäßige Räder ein.

Leider sind nur noch wenige Exemplare der SAXONETTE erhalten geblieben, sicher liegt das auch daran, daß der Motor nicht so problemlos lief, wie von FICHTEL & SACHS erhofft. So mußte schon im August 1938 ein Rundschreiben an sämtliche SACHS-Motordienst-Stellen verschickt werden, in dem sieben 'Hauptkrankheiten' des Motors genannt wurden:

"Schweinfurt, den 11. August 1938

Technische Anleitung für die SAXONETTE Nr. 1

Da uns einige Beanstandungen in den letzten Tagen zugingen, haben wir unseren Herrn Martin hinausgesandt, um diese an Ort und Stelle zu prüfen. Wir haben dabei folgende Erfahrungen gemacht:

1. Zündkerze

Unsere Versuchsfahrten mit der SAXONETTE wurden stets mit Vollast durchgeführt. Es hat sich aber jetzt schon in der Praxis herausgestellt, daß die SAXONETTE selten mit Vollast gefahren wird, sondern normal mit einer Geschwindigkeit von 20 - 25 km. Dadurch bleibt die Kerze W 175 T1 zu kalt und neigt zum Verölen. Bosch hat deshalb eine neue Kerze entwickelt, und zwar W 95 T1, die besser geeignet ist. Wir wollen sämtliche Kerzen W 175 T1 auswechseln.

2. Zündkabel

Bei verschiedenen Rahmen besteht die Gefahr, daß das Zündkabel am Verkleidungsblech reibt, das Kabel wird porös und schließt kurz. Aus diesem Grund ziehen wir jetzt allgemein über das Kabel noch ein Isolierrohr, das diese Gefahr beseitigt. Auch bei den im Umlauf befindlichen Saxonetten bitten wir, dieses Schutzrohr anzubringen. Die freien Enden des Isolierrohres werden mittels Gummimuffen abgedeckt. Die dem Kerzenstecker zugewandte Gummimuffe erhält gegen das Zündkabel eine Gummikappe, die vom Zündkerzenstecker 40 mm entfernt sein soll. Das Kabel mit dem Isolierrohr muß hinter den Kupplungszug verlegt werden und es ist darauf zu achten, daß das Zündkabel von Berührungen mit dem Motorgehäuse frei ist. Es ist daher vor das Vierfachkabel zu verlegen.

3. Düsen

Wie beim 98er Motor ist uns in der Kalibrierung der Düsen vor einigen Wochen ein Fehler unterlaufen, und zwar wurden die Düsen mit kleinen Nummern versehen. Dadurch wurde vorübergehend über zu hohen Brennstoffverbrauch geklagt. Sollte dieses bei einer SAXONETTE der Fall sein, bitten wir, genau kalibrierte Düsen Nr. 45 anzufordern.

4. Vergaserdichtung

Zwischen Vergaser und Motorgehäuse liegt eine starke Dichtung. Die Befestigungsschrauben müssen in der Anfangszeit einmal nachgezogen werden, da sonst Falschluft entsteht. Diese Dichtung Nr. 750081 hat, wie Sie aus der Teilliste Tafel 4 ersehen, einen Führungsrand. Achten Sie bitte darauf, daß dieser Rand nicht beschädigt wird.

5. Vergaser

Bei den ersten Saxonetten wurde nur ein Brennstoffsieb am Benzinhahn eingebaut. Wir mußten feststellen, daß dieses Sieb nicht genügt, weil immer wieder bei der Einfüllung des Benzins Schmutz in den Tank gerät. Wir haben daher neuerdings den Vergaserdeckel geändert, so daß noch zwei Filter eingebaut werden können. Wir wollen die ersten Vergaser auch auf den neuen Stand bringen und bitten, uns mitzuteilen, wieviel Vergaser Sie zum Austausch benötigen. In diesem Fall ist auch das Benzinrohr zu erneuern. Da die Lieferung des Benzinrohres auf 3 Arten zu erfolgen hat, je nach Lage des Benzintanks, bitten wir um Angabe, welche Ausführung Sie benötigen.

6. Verlegung der Kabel

Bei einzelnen Modellen ist das Vierfachkabel etwas zu hoch unter den Lenker gezogen und dadurch sind die ausmündenden Einzelkabel, die zu den Hebeln führen, sehr stark abgebogen. Dieser starke Knick der Bowdenkabel erhöht die seitliche Reibung und läßt dadurch die Hebel für Gas, Kupplung und Dekompression sehr schwer gehen. Wir bitten in einem solchen Fall um Änderung.

7. Drehgasgriff

Von einigen Seiten wird uns mitgeteilt, daß der Drehgasgriff sehr schwer zu betätigen ist. Der Grund hierfür kann im vorstehenden Punkt 6 liegen. Zu beachten ist aber, daß im Drehgasgriff ein Druckpunkt vorhanden ist. Das Rad macht bei normaler Öffnung des Drehgasgriffes 20 - 25 km und diese Geschwindigkeit kann auf 30 km erhöht werden, wenn der Gasgriff über den Druckpunkt hinaus festgehalten wird. Wenn nur der eine oder andere Kunde mit der gewollten Geschwindigkeit von ca. 25 km auf ebener Strecke nicht zufrieden ist und den Griff ständig festhalten muß, so ist zu verstehen, daß er über einen schweren Gang Klage führt. Dieser Druckpunkt ist aber von uns ausdrücklich gewollt, da wir ja über diese Geschwindigkeit von 25 km auf ebener Strecke nicht hinaus gehen wollen. Bei der SAXONETTE wollen wir das Fahrrad motorisieren und auf große Geschwindigkeiten verzichten."

Entsprechend dieser Anweisungen wurden die bereits ausgelieferten Fahrzeuge umgerüstet, ihre Besitzer auf Behandlungsbesonderheiten hingewiesen. Trotzdem konnte keine befriedigende Zuverlässigkeit erzielt werden. Bestimmt lag das nicht zuletzt an dem Widerspruch, zwischen der komplizierten, filigranen Konstruktion des Motors und dem technisch meist völlig ahnunglosen Kundenkreis, den man durch die Werbung für die SAXONETTE interessiert hatte. So konnte man in einem Prospekt lesen:

"Ein Schulkind könnte, wenn es erlaubt wäre, die SAXONETTE ohne Gefahr benutzen. Denn die SAXONETTE ist noch ungefährlicher als das gefahrlose Fahrrad, da die Mühe des Tretens fortfällt, hat der Fahrer Ruhe und Sicherheit gewonnen."

Vor allem auf die richtige Behandlungsweise der SAXONETTE wies ein zweites Rundschreiben hin, welches schon zwei Monate nach dem oben zitierten erschien:

"Technische Anleitung für die SAXONETTE Nr. 2

Durch Erfahrungsaustausch mit unseren aktivsten Kundendienst-Stellen werden wir auf einige Vorteile in der Saxonetten-Behandlung aufmerksam gemacht.

1. Startschwierigkeiten

Die an der SAXONETTE vorgesehene Brennstoffpumpe stellt etwas neues und ungewohntes dar und wird auch leicht mit dem am Fahrradmotor befindlichen Tupfer verwechselt. Die Brennstoffpumpe ist tatsächlich dafür da, Brennstoff in den Zylinder zu pumpen und nicht, wie bei dem Tupfer, den Vergaser überlaufen zu lassen. Wir haben dies in unserem Handbuch auch ganz ausführlich beschrieben. Es ist bei normaler Witterung notwendig, vor dem Start mindestens 5 Pumpstöße vorzunehmen, und zwar ist ein zügiges Pumpen am Platze. Der Pumpkolben muß durchgedrückt werden, so daß eine wirkliche Pumpwirkung entsteht. Dieses Pumpen zum Starten ist unbedingt notwendig und es ist weniger gefährlich, ein paar Pumpstöße mehr zu machen, wie zu wenig,. Bei kalter Witterung muß an und für sich etwas mehr Benzin eingepumpt werden, wie dies ja auch bei sonstigen Startvorrichtungen der Fall ist. Ein Wagenmotor springt auch bei kalter Witterung schlechter an und hat Vorrichtungen anderer Art, die den selben Zweck erfüllen.

2. Vergaser

Die SAXONETTE ist noch ein kleinerer Motor wie der Fahrradmotor. Demnach sind auch alle Dimensionen am Vergaser, der Zündeinrichtung usw. noch kleiner gehalten und erscheinen dadurch etwas diffiziler. Es ist beim Fahrradmotor eine Selbstverständlichkeit, daß besonders in der Einfahrzeit einmal die Siebe am Vergaser ausgeputzt werden, um die durch evtl. Unreinigkeiten des Tanks, des Benzins usw. eintretenden Schmutzteilchen zu entfernen. Das ist auch bei der SAXONETTE nötig. Wie Ihnen bereits in unserem Rundschreiben mitgeteilt, haben wir zur Vorsicht nochmals neue Siebe eingebaut. Aber diese Siebe bezwecken ja nur, evtl. Schmutzteilchen vom Vergaser fernzuhalten. Es ist daher ratsam, wenn Sie Ihre Kunden darauf aufmerksam machen, die Vergaser nach einiger Zeit einmal zu reinigen.

3. Bedienungshebel

Die Bowdenzüge der SAXONETTE sind länger als beim Fahrradmotor. Es besteht daher die Gefahr, daß dieselben einmal schwerer gehen. Das ist aber genauso wie bei allen Motorfahrrädern und der Bowdenzug verlang hier und da mal ein Tröpfchen Öl. Wir haben Sie bereits aufmerksam gemacht, daß die Bowdenzüge schön rund ohne Krümmungen verlegt sein sollen. Achten Sie darauf, wenn Ihre Kunden über schweren Gang der Bedienhebel oder der Züge klagen.

4. Wenn Sie eine SAXONETTE von den Fahrradfabriken erhalten, achten Sie vorher darauf, ob alles in Ordnung ist, bevor Sie die SAXONETTE dem Kunden weitergeben. Besonders bitten wir auf die Punkte zu achten, die wir Ihnen in der 1. Technischen Anleitung gegeben haben. Es kann immerhin einmal vorkommen, daß auch bei den Fahrradfabriken ein Fehler gemacht wird.

5. Die Last der SAXONETTE liegt auf dem Hinterrad, es ist daher zu beachten, daß das Hinterrad gut aufgepumpt ist, da sonst die Gefahr besteht, daß die Felgen Beschädigungen erleiden. Ebenso ist darauf zu achten, daß die Gummis richtig aufgesetzt sind.

6. Wenn wir auch schon jahrelang predigen, daß ein Motor hier und da einmal gereinigt werden muß, müssen wir, wie wohl auch Sie, immer wieder feststellen, daß hier sehr viel gesündigt wird. Wir raten Ihnen, immer einen Pinsel und etwas Waschbenzin zur Hand zu haben, um die SAXONETTE wieder einmal sauber zu machen.

7. Schmierung

Auch zuviel Schmierung kann schaden. In unserem Handbuch haben wir wörtlich vorgeschrieben: nach 1400 - 1500 km .40 - 50 ccm Fett. Wenn es der Kunde auch noch so gut meint öfter zu schmieren, so ist ganz selbstverständlich, daß das Zuviel irgendwo herauskommen muß. Also unsere Vorschriften genau einhalten."

Auch wer heute eine SAXONETTE fährt, sollte sich an diese Anleitungen halten, weshalb sie hier auch im Wortlaut wiedergegeben wurden. So ist es besonders ratsam, den Vergaser ab und zu nachzuziehen und zu reinigen. Auch die Bowdenzüge wollen häufig gewartet sein. Besonders der Gasbowdenzug, der durch die zweite Feder im Vergaser sowieso recht schwergängig ist, sollte gründlich geölt werden. Wer seine SAXONETTE immer gut pflegt und von dem Maschinchen nicht zuviel verlangt, wird an so mancher Oldtimer-Veranstaltung pannenfrei teilnehmen können.

Übrigens wurde die 'SAXONETTE während des WK 2 von DKW kopiert (die Herkunft ist unverkennbar) und sollte als 'Hummel' mit 32 ccm und ca. 1,5 PS durch Auswechseln des Hinterrades in jedes Fahrrad eingebaut werden können. Sie sollte nach dem Krieg in einem neuen Chemnitzer Werk in mehreren tausend Stück pro Tag gebaut werden. Die Zeichnungen gelangten aber 1945 nach England, wo die Konstruktion als 'Cyclemaster' erschien und über den Umweg der Lizenz, von Rabeneick in Brackwede/Westfalen gebaut, nach Deutschland zurückkam.